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Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach

Weimars letzter Großherzog Wilhelm Ernst

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Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach unterzeichnete am 9. November 1918 seine Abdankungsurkunde. Historiker Manuel Schwarz schreibt über seine Regierungszeit und die Hintergründe der Abdankung.

Als Großherzog Wilhelm Ernst (1876–1923) am 5. Januar 1901 seinem verstorbenen Großvater Carl Alexander auf den Thron folgte, konnte er nicht ahnen, welche po­li­ti­schen Um­wälzungen 17 Jahre später in Deutschland erfolgen und ihn am 9. No­vem­ber 1918 zur Abdankung zwingen würden. Zuvor gelang es dem charakterlich schwie­ri­gen Mon­archen zwar nicht die Her­zen der breiten Bevölkerung zu ge­win­nen. Aber er förderte – mit Hilfe von Staats- und Hof­be­amten sowie Personen aus der Weimarer Gesellschaft – einige kul­tur­po­li­ti­sche Pro­jek­te, die als „Neues Weimar“ bekannt wurden.

Gottlieb Elster, Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach, Marmor, 1911, © Klassik Stiftung Weimar

Das „Neue Weimar“

Im Jahr 1902 ließ Wilhelm Ernst die Kunst­schu­le verstaatlichen und durch den neu­en Di­rek­tor Hans Olde reformieren – unter an­de­rem wurden erstmals im Deut­schen Reich Frau­en zum Kunst­studium zu­ge­las­sen. Die Zahl der Stu­die­ren­den stieg an und ei­ni­ge be­deu­ten­de Künstler wur­den als Lehrer berufen, wie Ludwig von Hofmann und Sascha Schneider.

Sascha Schneider, „Hohes Sinnen“, Öl auf Leinwand, 1903, © Klassik Stiftung Weimar

Ebenfalls 1902 wurde der belgische Ju­gend­stil-Künstler Henry van de Velde zur För­de­rung des Kunst­gewerbes en­ga­giert – vermittelt durch Harry Graf Kessler und Eli­sa­beth Förster-Nietzsche. Der Belgier leitete zudem von 1908 bis 1915 die neu ge­grün­de­te Groß­her­zog­liche Kunst­ge­wer­beschu­le, die überwiegend von Wilhelm Ernst fi­nanz­iert wurde. Ferner wurde der Bel­gi­er mit dem Bau neuer Kunst­schul­gebäude be­auftragt, die seit 1996 als UNESCO-Welt­erbe ge­listet sind.

1905 erfolgte die Gründung einer Bildhauerschule, die zunächst von Adolf Brütt, spä­ter von Gottlieb Elster und zu­letzt von Richard Engelmann ge­leitet wurde. Eine Hoch­zeit erlebte auch das Ausstellungswesen: 1903 wurde Harry Graf Kessler als Lei­ter des Groß­herzoglichen Museums für Kunst und Kunst­gewerbe an­gestellt und er ver­an­stal­te­te dort bis 1906 über 40 Ausstellungen von Künstler*innen aus dem In- und Ausland.

Atelier Louis Held, Eröffnung der Monet-Ausstellung im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe, 30. April 1905, © Klassik Stiftung Weimar

Nach dem Rücktritt Harry Graf Kesslers im Zuge des „Rodin-Skandals“ im Jahr 1906 nahm zwar die Anzahl auf­sehen­er­re­gen­der Aus­stel­lung­en ab, aber wei­ter­hin wurde auch moderne Kunst gezeigt, unter anderem von der Kün­stler­grup­pe Brücke und der Neuen Künst­ler­ver­ei­ni­gung Mün­chen. Von 1906 bis 1908 ließ Wilhelm Ernst durch Max Littmann ein neues Thea­ter­ge­bäu­de er­rich­ten und be­zahl­te mehr als die Hälfte der Bau­kosten. Der Münch­ner Architekt war ab 1913 auch für den Bau des Süd­flügels des Re­sidenz­schlosses ver­ant­wort­lich. Ty­pisch für seine Generation, för­der­te Wil­helm Ernst zu­dem Sport und Tech­nik, unter an­der­em Tennis- und Fußball­turnie­re so­wie das Flug­wesen.

Wenngleich Wil­helm Ernst nicht alle, recht un­ter­schied­lich­en, Er­war­tung­en er­fül­len konn­te und sich einige der Prot­ago­nis­ten, wie Harry Graf Kessler, frus­triert zeigten, konnte der Groß­herzog manche Ver­diens­te vor­weisen. Die Jenaische Zeitung fasste seine Regierungszeit im Jahr 1915 so zusammen: „Viele wollten in dem Großherzog von Sachsen für alle Zeiten eine Art Gralshüter se­hen, an­de­re heg­ten die E­rwar­tung, daß in Weimar wieder eine Art Musenhof ent­ste­hen werde, als wenn le­dig­lich gu­ter Wil­le so etwas zu be­lie­bi­ger Zeit schaffen könnte. Diese Leute wurden enttäuscht. […] Die Auf­gabe, die er sich ge­setzt hatte, war wirt­schaft­li­cher Aufschwung des Staa­tes, Befruchtung des Handwerks durch künst­le­ri­sche An­re­gung, För­de­rung der bil­den­den und dar­stel­len­den Kunst in Weimar. Wer mit dem Leben unseres Lan­des vertraut ist, wird auch die reichen Früchte die­ser Be­stre­bun­gen sehen.“

Der Großherzog in feldgrau

Der Eintritt des Deutschen Reichs in den Ersten Weltkrieg am 1. August 1914 mar­kier­te ei­ne Zä­sur. Für die jun­gen Män­ner, die zum Kriegseinsatz einrücken mussten und für die Menschen an der „Hei­mat­front“, deren Leben bald von Ent­beh­run­gen und Ver­lusten ge­prägt war, verlor die Kultur­politik des Mon­ar­chen, die sich stets vor allem an das Bürgertum gerichtet hatte, an Bedeutung. Zwar brachte der Aus­bruch des Krie­ges auch für die Bun­des­fürs­ten gewisse Einschränkungen mit sich, aber die Mon­ar­chen waren weder in großem Maße von materieller Not be­trof­fen noch schien ihre Herr­schaft zu­nächst durch den Kon­flikt bedroht. Während der teil­weise vor­han­de­nen Jubel­stim­mung im August 1914 bekundete die Bevölkerung ihre Treue zu den Mon­ar­chen, die wie­der­um ihre Unter­stützung für den ver­meint­li­chen Ver­tei­di­gungs­krieg er­klärten. Groß­herzog Wilhelm Ernst verkündete bei der Verabschiedung der Wei­ma­rer Truppen am 7. August 1914: „Der Neid mächtiger Nachbarvölker, die dem deut­schen Volke den Genuß des Frie­dens (…) mißgönnen, hat dem Deut­schen Rei­che zur Verteidigung seiner Ehre und zur Er­hal­tung seiner Existenz den Ent­schei­dungs­kampf aufgezwungen.“

Zwar bemühte sich Wilhelm Ernst mehr­mals bei den Militärs und sogar bei Kaiser Wilhelm II. um ein Truppen­kom­man­do. Doch blieb ihm dies – vermutlich aufgrund sei­ner un­zu­rei­chen­den militärischen Ausbildung – verwehrt. Weder der Kaiser noch die Militärs wünschten sich zudem eine Einmischung der Bundesfürsten in die Pla­nun­gen im Großen Hauptquartier. Der Großherzog durfte sein Regiment lediglich an die Kriegs­schau­plätze in Ost und West begleiten. Um seine Ein­satz­be­reit­schaft zu zei­gen, verrichtete er ver­schie­de­ne Auf­ga­ben und beteiligte sich einmal sogar an einem Sturm­an­griff. Zu­dem unterstütze er sein Regiment durch zahlreiche Spenden. Um die Ver­dien­ste der Truppen zu würdigen stif­te­te er 1915 das „Wilhelm-Ernst-Kriegskreuz“. Für die Menschen an der „Heimatfront“ wurden ebenfalls Auszeichnungen ins Le­ben ge­ru­fen, unter an­de­rem das „Eh­ren­zei­chen für Frauenverdienst im Kriege“. Für die An­ge­hö­ri­gen der Ge­fal­lenen ließ er ferner ein Ge­denk­blatt ausgeben.

[1] „Wilhelm-Ernst-Kriegskreuz“, Gold/Silber, 1915, Privatbesitz, © Klassik Stiftung Weimar

[2] Walther Klemm, Gedächtnisurkunde „Er starb fürs Vaterland“, nach 1915, © Klassik Stiftung Weimar

Auch Wilhelm Ernst wartete zunächst un­ge­duldig auf das Eiserne Kreuz, äußerte sich nach der Verleihung aber kritisch, wie ei­nem Brief an seine Frau, Großherzogin Feo­dora, zu entnehmen ist: „Als wir noch zusammensaßen, kam ein Herr vom Ge­ne­ral­kom­man­do, der für Fürst Reuß, Fritz Waldeck und mich die Kreu­ze 1. und 2. Klasse brachte. (…) Wir alle finden, daß die 1. Klasse für uns, die wir doch nichts geleistet haben, zu viel ist. Dafür ist die Auszeichnung zu schade …“

Aufgrund des Kriegsverlaufs war der Op­ti­mis­mus der ersten Tage rasch ver­flo­gen. Zu­dem hatte die groß­herzog­liche Familie Verluste zu beklagen: Bereits im August 1914 fielen der Vater und der Bruder von Großherzogin Feodora. Im Gespräch mit Ver­trau­ten, dar­un­ter dem Herzogspaar von Meiningen, übte Wilhelm Ernst ver­mehrt Kritik, unter anderem am un­ein­ge­schränk­ten U-Boot-Krieg. Auch mit seiner Frau, der er in seiner Ab­we­sen­heit die Regierungsgeschäfte über­tra­gen hatte, stand er ständig in brieflichem Kontakt. Ihr gegenüber zweifelte der Großherzog bereits am 16. Au­gust 1914 an einem schnellen Sieg: „Kluge Leute behaupten, der Feldzug würde nicht lange dauern. Ich bin nicht so op­ti­mis­tisch.“

Vom Kriegsgeschehen ernüchtert, kam Wilhelm Ernst im August 1915 zu der Über­zeu­gung, dass er an der Front „ziemlich überflüssig“ sei. Gesundheitlich an­ge­schla­gen kehrte er im Sommer 1916 nach Wei­mar zurück und übernahm wieder die Re­gie­rungs­ge­schäfte. Dennoch besuchte er in den letzten beiden Kriegsjahren noch einige Male seine Truppen an der Front. Im Jahr 1917 erlebte das großherzogliche Paar einen Moment des Glücks, als der „Kriegsprinz“ Bernhard Friedrich geboren wur­de. Der wach­sen­de Nationalismus im Laufe des Ersten Weltkriegs schwächte der­weil zu­neh­mend die Bindung der Be­völ­ke­rung an ihre Landesherren. Das Deut­sche Reich und die deutsche Nation dien­ten den Menschen als Bezugspunkt – nicht die Ein­zel­staa­ten und die Fürsten. Die Etablierung einer Mi­li­tär­dik­ta­tur im Deut­schen Reich im Jahr 1916 durch die dritte Oberste Hee­res­lei­tung, bestehend aus Ge­ne­ral­feld­mar­schall Paul von Hin­den­burg und dem Ersten Ge­ne­ral­quartier­meister Erich von Lu­den­dorff, markierte den end­gültigen po­li­ti­schen Be­deu­tungsver­lust der Bun­des­fürs­ten. Wil­helm Ernst beschrieb im Frühjahr 1917 in einem Brief an Kron­prinz Rupprecht von Bayern seine Ohnmacht: „Ich weiß nicht, was die Reichsleitung eigentlich be­ab­sich­tigt. Man ist als re­gie­ren­der Fürst zur Un­tätigkeit verurteilt und darf nur zusehen (…). Keine Vorstellungen in Berlin werden angehört.“

Atelier Franz Vältl, Großherzog Wilhelm Ernst und Großherzogin Feodora, Prinzessin Sophie, Erbgroßherzog Karl August, Prinz Bernhard Friedrich, nach 1917, © Klassik Stiftung Weimar

Revolution und Abdankung

Im Oktober 1918 wurde das Ende der Monarchie in Deutschland eingeläutet: Die deut­sche Seekriegsleitung befahl un­ge­ach­tet der militärisch ausweglosen Lage das Auslaufen der Hochseeflotte, um eine Entscheidungsschlacht mit der bri­ti­schen Grand Fleet zu suchen. Zwar wurden mit­un­ter militärische Ge­sicht­spunk­te vor­ge­bracht, aber vor al­lem war dem Of­fi­ziers­korps an seiner Ehre gelegen. Eine Nie­der­la­ge und der Verlust tausender Men­schen­le­ben wurden in Kauf ge­nom­men. Der streng geheime Be­fehl blieb je­doch nicht geheim und führ­te in den letz­ten Ta­gen des Ok­to­bers zu Un­ru­hen unter den Ma­tro­sen. Die SMS Thüringen, deren Mann­schaft vor allem aus Thüringer Ma­tro­sen bestand, war eines der ersten Schiffe, das sich dem Befehl verweigerte; das Li­ni­en­schiff war 1909 in Anwesenheit der Thü­rin­ger Fürsten in Bremen auf Kiel ge­legt und von Großherzog Wilhelm Ernst und Herzogin Adelheid von Sachsen-Altenburg getauft worden. Die Auf­stän­di­schen er­hiel­ten bald Zulauf von Sol­da­ten und Werk­tä­ti­gen. Rufe nach Frie­den, der Ver­bes­ser­ung der schlechten Ver­sor­gungs­la­ge und der Abdankung des Deut­schen Kai­sers waren zu vernehmen. Der Vertreter Weimars im Bundesrat, Arnold Paulssen, berichtete bereits Mitte Ok­to­ber aus Berlin nach Weimar: „… in sehr ernsthaften bürgerlichen Krei­sen rechnet man beinahe sicher mit re­vo­lu­tio­nä­rer Bewegung.“

Die Einführung des parlamentarischen Regierungssystems im Deutschen Reich im Rahmen der Oktoberreformen löste in Sachsen-Weimar-Eisenach eine Re­gie­rungs­kri­se aus: Zwar zeigte sich Wilhelm Ernst zu der im Landtag geforderten De­mo­kra­ti­sie­rung bereit, aber seine Staats­mi­nis­ter wehrten sich gegen eine Än­der­ung des Wahl­rechts im Großherzogtum und drohten am 6. November mit ihrem Rücktritt.

Am 7. beziehungsweise 8. No­vem­ber wurden derweil der König von Bayern und der Herzog von Braunschweig gestürzt. Reichs­kanzler Prinz Max von Baden ver­kün­de­te schließlich am 9. No­vem­ber 1918 eigenmächtig die Abdankung des Kaisers, weil sich der im Großen Hauptquartier in Spa weilende Wilhelm II. nicht dazu ent­schlie­ßen konnte. Die Abdankung des Kai­sers hatte Wilhelm Ernst auf Anfrage des Reichs­kanzlers zuvor befürwortet. Durch die Bil­dung von Soldatenräten beim Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kommando des XI. Armeekorps in Kassel und beim IV. Ge­ne­ral­kom­man­do in Magdeburg, die bisher die militärische Befehlsgewalt aus­üb­ten, erhielten die Re­vo­lu­tio­näre auch in Thü­rin­gen die Kon­trol­le. Über den Mi­li­tär­flug­hafen Nohra bei Weimar ge­lang­ten Re­vo­lu­tio­näre am 8. November schließlich in die Re­si­denz­stadt des Großherzogtums. In Eisenach war am Tag zu­vor be­reits der ver­mut­lich erste Arbeiterrat in Thüringen entstanden. Am Nachmittag des 8. No­vem­ber bildete sich ein provisorischer Soldatenrat und für den Abend wurde eine große De­mon­stra­tion durch die Stadt zum Residenzschloss in Weimar anberaumt. Die großherzogliche Fa­mi­lie beschloss deshalb aus Si­cher­heits­grün­den die Nacht im Haus des Rechts­an­walts Hermann Jöck zu verbringen.

Der Sozialdemokrat August Baudert stellte sich in Absprache mit den Be­hör­den an die Spitze des Zugs, vor al­lem, um eventuelle Unruhen durch Ra­di­ka­le zu verhindern. In seiner An­spra­che forderte er unter anderem die Ab­dank­ung des Kaisers und des Großherzogs, was auf große Zustimmung stieß. Die De­mons­tra­ti­on mit über 1000 Teilnehmenden verlief friedlich, weil August Baudert nach der emotionalen Rede eines Spartakisten die Menge zu beruhigen wusste. Wil­helm Ernst hatte zunächst beabsichtigt, zu den Demonstrierenden zu sprechen, ließ sich aber von seinen Mi­nis­tern davon ab­brin­gen. Im Laufe des Abends brachten die Aufständischen die Stadt unter ihre Kon­trol­le. Noch in der Nacht kehrte Wil­helm Ernst ins Schloss zurück und am Mittag des 9. No­vem­ber 1918 bat er August Baudert dorthin, um mit ihm die La­ge zu besprechen. In seinen Aufzeichnungen beschreibt der Sozialdemokrat, wie er dem Großherzog erklärte, dass die Ab­dan­kung unumgänglich sei. Der nie­der­ge­schla­ge­ne Wilhelm Ernst habe ihm gegenüber beteuert: „Ich habe alles getan, was ich konnte. Ich hatte noch viel Gutes vor.“

Am selben Tag entstand schließlich auf Drängen der Soldaten auch ein pro­vi­so­risch­er Arbeiterrat in Weimar, der sich mit dem Sol­da­ten­rat vereinigte. Der Sol­da­ten­rat be­schloss zudem, gemeinsam mit den Offizieren die Ordnung in der Stadt wie­der­her­zu­stel­len, nachdem die Lage zwischenzeitlich sehr chaotisch gewesen war. Hein­rich Fi­scher – Redakteur der sozialdemokratischen Volkszeitung – ver­fas­ste am Nach­mit­tag den Text der Ab­dan­kungsur­kun­de und eine Delegation übergab diesen an Mit­glie­der der groß­her­zog­li­chen Regierung. Die Re­vo­lu­tionäre machten deutlich, dass der Groß­her­zog bis zum Abend zu un­ter­schrei­ben habe. Die Re­gie­rungsmit­glie­der suchten Wil­helm Ernst im Residenzschloss auf und rieten ihm, sich dem Druck zu beu­gen. Der Entwurf wurde dabei noch korrigiert: Ge­stri­chen wurden die Wörter „wie der Bür­ger“, weil die Abdankung angeblich nicht vom Bür­ger­tum ge­fordert werde, sowie das Wort „bisherigen“ vor der Be­zeich­nung „Großherzogtum“. Gegen 20 Uhr setzte Wilhelm Ernst schließlich seine Un­ter­schrift unter das Dokument.

Heinrich Fischer, Entwurf der Abdankungsurkunde für Großherzog Wilhelm Ernst, 9. November 1918, © Landesarchiv Thüringen – Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

Eine Stunde später begaben sich Staatsminister Karl Ro­the, Oberhofmarschall Hugo Freiherr von Fritsch und Oberstallmeister Paul von Anderten in das Gasthaus „Zum Weißen Schwan“, um sich dort vom Arbeiter- und Soldatenrat die Unversehrtheit der großherzoglichen Familie zusichern zu lassen. Die Absprachen wurden in zwei Do­ku­men­ten schriftlich fi­xiert, von den Mitgliedern des Arbeiter- und Sol­da­ten­rats ab­ge­zeichnet und an den Ober­hof­marschall übergeben. Anschließend händigte Karl Ro­the die Ab­dan­kungs­ur­kun­de an August Baudert aus. In die­sem Augenblick, am Abend des 9. No­vem­ber 1918, hatte Wilhelm Ernst offiziell auf­ge­hört zu regieren – als erster der Thü­rin­ger Mon­ar­chen. Das Fourierbuch des Hof­mar­schall­amts wurde an diesem Abend mit einem letzten Eintrag geschlossen: „Seine Königliche Hoheit der Groß­her­zog ist heute gezwungen worden, abzudanken. Was wird, weiß man nicht. Gott schütze die Großherzogliche Familie…“

Um einer möglichen Konfrontation aus dem Weg zu gehen, verließ Wilhelm Ernst mit Frau und Kindern zwei Tage später un­ter dem Schutz einiger vom Sol­da­ten­rat ab­ge­ord­ne­ter Män­ner die Re­si­denz­stadt in Richtung Schloss Allstedt. Bald ver­leg­ten die Familie ihren Wohnsitz aber dau­er­haft nach Heinrichau in Schlesien, wo Wilhelm Ernst am 24. April 1923 im Alter von 46 Jahren verstarb und beigesetzt wurde.

Atelier Louis Held, Schloss Heinrichau, um 1930, © Klassik Stiftung Weimar
Die Regierungszeit von Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach ist Teil der Arbeit mit dem Titel Übergangsfürsten. Le­gi­ti­ma­ti­ons­stra­te­gi­en der letzten Generation ernestinischer Monarchen im Deutschen Kaiserreich, mit der Manuel Schwarz 2023 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promoviert wurde.

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