© Klassik Stiftung Weimar
Interview mit der Gestalterin

Geschichte neu entdecken

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Das Stadtschloss Weimar kann uns weit mehr erzählen, als die Geschichten der Menschen, die einst darin wohnten. Die Künstlerin Katherin Gutiérrez Herrera spricht im Interview über die neuen Entdeckertaschen.

Katherin, du hast dir die neuen Entdeckertaschen für das Stadtschloss ausgedacht. Was sind die Enteckertaschen?

Man kann sich die Entdeckertasche wie ein Detektivspiel vorstellen. Es lädt Familien und Kinder dazu ein, das Schloss – das ja derzeit saniert wird und nur durch Füh­run­gen zugänglich ist – aus anderer Perspektive zu entdecken. Die Ta­sche enthält fünf Rätsel, die man mit Hilfsmitteln, zum Beispiel einer Karte, einem Maßband oder ei­nem Fernglas, löst. Man lernt dabei etwas über die Geschichte und Architektur des Schlosses. Es gibt zum Beispiel eine Stickerseite, auf der man durch das Anbringen von Aufklebern erfährt, wann die vier Schlossflügel gebaut wurden. Die Ent­de­cker­tasche knüpft an die beliebte Rucksacktour der Klassik Stiftung Weimar an.

Was war dir bei der Gestaltung der Taschen besonders wichtig?

In einer frühen Gestaltungsphase mit der 9. Klasse der Lyonel-Feininger Schule hat sich gezeigt, dass sich junge Menschen oft für das interessieren, was nicht mehr sicht­bar und daher von außen auch nicht erkennbar ist. „Wer hat einmal im Schloss gelebt?“, „Wer hat es gebaut?“, „Wieso hat es dort so häufig gebrannt?“, „Wie viele Menschen sind bei den Bränden gestorben?“ Aber wie nähert man sich spielerisch der Geschichte eines Gebäudes an? Ich habe mir die Architektur des Schlosses zu­nutze gemacht, die gewissermaßen ‚historische Daten‘ enthält. Betrachtet man das Gebäude von außen, lassen sich Details erkennen, die etwas über seine Ent­stehung ver­raten. Ich bin auch durch meinen Sohn auf viele Ideen gekommen. Als ich die Taschen ent­wickelt habe, war er gerade einmal sieben Jahre alt und hat sich na­tür­lich überhaupt nicht für Geschichte in­te­res­siert. Dafür sahen für ihn viele Orte nach Spaß aus. Das große Eingangstor, die Stern­brücke an der Ostseite des Schlosses oder das Guckrohr beim Studienzentrum zum Beispiel. Die Orte habe ich aufgegriffen und spielerisch mit Inhalten verknüpft.

Das Weimarer Stadtschloss mit Bastille

Das Stadtschloss hat ja eine sehr wechselvolle Geschichte – was hat dich persönlich besonders fasziniert?

Ich finde es spannend zu sehen, wie sich anhand von Architekturen Machtfragen ab­lesen lassen. Es gibt Burgen, zum Beispiel im Mittelalter, die gebaut wurden, um sich vor Angriffen zu schützen. Dann gibt es aber auch Schlösser, durch die sich Macht und Reichtum ausdrücken. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Südflügel des Weimarer Stadtschlosses. Unter der Herrschaft des letzten Groß­herzogs Wilhelm Ernst wurde der Bau des Südflügels von 1912 bis 1914 rea­li­siert. Seitdem ist das Schloss zu allen Seiten ‚verschlossen‘, es kehrt sich von der Gesellschaft ab. Das zeigt, wer das Sagen haben sollte – nämlich die Monarchen – und wer nicht. Aber schon vier Jahre später erreichte die Revolution auch Weimar und zwang den Groß­herzogen zur Abdankung. Im Schloss spiegelt sich somit im Kleinen europäische Ge­sel­lschafts­ges­chich­te wider.

Das Schloss wird ja derzeit umfassend saniert. Wie sieht dein Traumschloss aus?

Mein Traumschlosses wäre ein Ort, an dem Kunst, Geschichte und Bildung glei­cher­maßen für alle zugänglich sind. Statt nur die Geschichten der damaligen Oberschicht zu erzählen, die nur einen kleinen Teil der Gesellschaft darstellen, könnte ein Schwer­punkt auf der Architektur, dem Bau­we­sen und der Stadtentwicklung liegen, die den kollektiven Fortschritt der Zivil­be­völke­rung widerspiegeln. So würden wir mehr über die Entstehung unserer heutigen Städ­te und Häuser erfahren, ohne die Geschichten der Oberschicht zu ver­nach­läs­sigen. Es gibt viele interessante Aspekte, die für alle, auch für Kinder, spannend sind.

Wie kann man sich die Entdeckertaschen ausleihen?

Die Entdeckertaschen kann man sich noch bis Ende Oktober jeweils von Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr am Co-Labor vor dem Stadtschloss kostenfrei ausleihen. Man kann entweder alleine kommen oder in einer Gruppe. Die Entdeckerhefte, die in der Tasche sind, kann man als Andenken nach der Tour behalten.

Die Künstlerin Katherin Gutiérrez Herrera hat die neuen Entdeckertaschen für das Stadtschloss Weimar entwickelt. Foto: Stefan Lesueur
Katherin Gutiérrez Herrera, geboren 1993 in Kolumbien, ist Künstlerin, Kunst- und Politikvermittlerin, Fotografin und Grafikdesignerin. Sie hat Bildende Kunst an der Universität von Antioquia in Ko­lum­bien und an der Bauhaus-Universität in Weimar studiert. In ihren Arbeiten interessiert sie sich für den Aufbau von Gemeinschaften und erforscht die Rolle gemeinsamer Räume bei der Ent­wick­lung eines Gefühls der Zugehörigkeit und des Zuhauses. Gutiérrez Herrera produziert zudem audio­visuelle Arbeiten und Installationen im öffentlichen Raum. Mehr Infos: www.katheringutierrez.com.

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